PIRITA.
Andrei Tarkowskij, 1932-1986.
TEXTE
PIRITA.
Andrei Tarkowskij, 1932-1986.
Kinofilme von Tarkowskij
Sowjetunion 1961-1982.
1962
«Iwans Kindheit» schwarzweiss (nach einer Erzählung von Wladimir Ossipowitsch Bogomolow).
1966
«Andrej Rubljow» Farb- und Schwarzweissfilm.
1964 begannen die Dreharbeiten zu «Andrej Rubljow». Der Film konnte nach heftiger Kritik von staatlicher Seite erst 1969 in einer stark gekürzten und zensierten Fassung beim Filmfest in Cannes gezeigt werden, in der Sowjetunion erschien er erst 1973.
1972
«Solaris» nach dem Roman von Stanislaw Lem.
1974/75
«Der Spiegel» Farb- und Schwarzweissfilm.
1979
«Vorsicht, Schlangen!» Drehbuch.
1979
«Stalker» Farb- und Schwarzweissfilm, frei nach einem Kapitel aus «Picknick am Wegesrand» von Arkadi und Boris Strugazki. Insgesamt haben die Brüder Strugazki sieben bis neun Drehbuchfassungen verfasst, bis sich Tarkowskij zufrieden gab. Von der Handlung blieb nichts ausser der Figur des Stalkers und dem Gebiet der «Zone», in dem Ausserirdische auf der Durchreise vielleicht ein Picknick hatten.
PIRITA:
Dreharbeiten in und um Tallin, Aussenaufnahmen der «Zone», in der Umgebung des Flüsschen, in das eine Chemiefabrik ihr Abwasser leitet.
1982
Tarkowskij geht es gesundheitlich schlecht, er hat auch mehrere Herzinfarkte.
Er verlässt die Sowjetunion.
Tarkowskij ersucht in Italien um Asyl.
Exil 1983-1986.
1983
«Nostalghia» Farb- und Schwarzweissfilm. Originalsprachen: Russisch, Italienisch.
1984
«Die versiegelte Zeit: Gedanken zur Kunst, zur Ästhetik und Poetik des Films» (Ullstein Sachbuch).
PIRITA:
«Nostalghia» liegt bereits hinter mir. Doch wie hätte ich bei den Arbeiten zu dem Film auf den Gedanken kommen können, dass schon bald eine sehr persönliche und konkrete Nostalgie meine Seele für immer befallen würde? (Im Buch «Die versiegelte Zeit»)
1986
«Offret» (Opfer) Die Idee zu diesem Film stammt noch aus der Zeit, als Tarkowskij noch in der Sowjetunion lebte. Ermöglicht wurde der Film durch die Unterstützung des schwedischen Filminstituts. Die Aussenaufnahmen entstanden auf der Insel Gotland. Originalsprache: Schwedisch.
PIRITA:
1986
Tarkowskij stirbt in Paris.
Ausschnitte aus Tarkowskijs Buch «Die versiegelte Zeit».
«Opfer» (1986).
Mich als religiösen Menschen interessiert vor allem jemand, der fähig ist, sich als Opfer hinzugeben, sei es um eines geistigen Prinzips willen, sei es um sich selbst zu retten, oder aus beiden Motiven zugleich. Ein solcher Schritt setzt selbstverständlich die totale Abkehr von allen vordergründig-egoistischen Belangen voraus, das heisst, der Betreffende handelt in einem existentiellen Zustand jenseits jeder «normalen» Geschehenslogik, er ist der materiellen Welt und ihrer Gesetze enthoben.
Der Form nach ist mein neuer Film eine Parabel: Er berichtet von Ereignissen, die man auf sehr unterschiedliche Weise deuten kann, weil sie Wirklichkeit nicht nur reflektieren, sondern auch von einem ganz bestimmten Sinn erfüllt sind.
Die Erde ist durch eine atomare Katastrophe bedroht. Die zentrale Figur will sich opfern, um das Unheil abzuwenden.
Das erste Konzept trug den Titel «Die Hexe» und sah als Handlungsmittelpunkt die seltsame Heilung eines todkranken Mannes vor, dem sein Hausarzt die volle, schreckliche Wahrheit über sein scheinbar unvermeidlich bevorstehendes Ende eröffnet hat. Der Kranke erkennt verzweifelt, dass er zum Tode verurteilt ist. Da klingelt es eines Tages an seiner Haustür. Vor ihm steht - Prototyp Ottos, des Postboten im «Opfer» - ein Mann, der ihm die nach herkömmlichem Ermessen absurde Botschaft überbringt, er, Alexander, müsse sich zu einer mit wundersamen magischen Kräften ausgestatteten, als Hexe bekannten Frau begeben und mit ihr schlafen. Der Kranke gehorcht und erfährt dadurch die göttliche Gnade der Heilung, die der Arzt, sein Freund, ihm bald darauf überrascht bestätigt: Er ist völlig genesen.
Er zündet sein geliebtes Haus an. Die bestürzten Familienmitglieder eilen herbei, die Flammen haben das Haus aber fast schon vollständig zerstört. Ein Krankenwagen kommt ins Bild, zwei Krankenwärter nehmen Alexander in Verwahrung und fahren mit ihm weg. (Es scheinen jedoch noch andere Formen des Film-Endes zu existieren.)
Das Merkwürdige ist nun, dass, während sich in meiner Vorstellung die Figuren des Films wandelten () und die Handlung insgesamt dichter und strukturierter wurde, dieser allmähliche, sich weitgehend unabhängig von äusseren Umständen und festen Vorsätzen vollziehende Prozess, nicht nur ein gewisses Eigenleben gewann, sondern auch in mein persönliches Leben eingriff.
PIRITA:
Schon bei den Vorarbeiten zu «Nostalghia» wurde ich das Empfinden nicht los, dieser Film projiziere ein Stück meines eigenen Schicksals. Geht man vom Drehbuch aus, dann wollte Gortschakow, die Hauptfigur des Films, ursprünglich nur für eine kurze Zeit in Italien bleiben, doch er erkrankt und stirbt dort, kurz, er verzichtet nicht deshalb darauf, in seine russische Heimat zurückzukehren, weil er nicht zurückkehren will - das Schicksal entscheidet anders für ihn. Auch ich hatte nie daran gedacht, nach Abschluss der Dreharbeiten in Italien zu bleiben. Um so irritierender war denn auch die Erfahrung, dass ich, wie Gortschakow, einer Art höherem Willen zu gehorchen hatte. Verstärkt wurde diese Erfahrung noch durch den Tod Solonizyns, des Hauptdarstellers aller meiner Filme: Er sollte nicht nur die Rolle Gortschakows in «Nostalghia» spielen, sondern auch - das war lange geplant - den Alexander in der »Hexe«. Anatolij Solonizyn starb an derselben Krankheit, die Alexanders Leben wendet, und heute, Jahre später, bin auch ich von ihr befallen.
«Stalker» (1979), Wikipedia.
Ähnlich wie in «Solaris» benutzte Tarkowskij eine Science-Fiction-Vorlage als Hintergrund für mystisch-philosophische Reflexionen und überwältigende Bildvisionen, mit denen er die Grenzen des herkömmlichen Erzählkinos poetisch überschreitet. (Lexikon des internationalen Films)
Die Grundlage für das Drehbuch war zunächst das dritte Kapitel des Romans «Picknick am Wegesrand» der Brüder Strugazki. Im Laufe der dreijährigen Zusammenarbeit des Regisseurs und der Buch-Autoren wandelten sich die Vorstellungen über den Film so sehr, dass dieser nur noch in einigen Eckpunkten mit dem ursprünglichen Roman übereinstimmt.
Der «Stalker» verdient seinen Lebensunterhalt damit, Leute illegal durch den Sperrgürtel zu bringen und sie innerhalb der Zone zu führen.
Ausserirdische haben auf der Erde Spuren hinterlassen. Diese Spuren sind vor allem Gegenstände teilweise unbekannter Funktion, stets ungeklärten Prinzips, oftmals furchtbarer oder gar tödlicher Wirkung, manchmal höchster Nützlichkeit.
Die Tochter des Stalkers ist krank, der Beruf des Vaters und das Leben nahe der Zone haben an dem Mädchen ihre Spuren hinterlassen.
Dreharbeiten von «Stalker» (Wikipedia).
Der zentrale Teil des Films, in dem der Stalker Männer in die Zone führt, wurde in der Nähe von Tallinn, Estland, gedreht. Ein wichtiger Teil der Aufnahmen der Zone in der Nähe der Autobahnbrücke Tallinn-Narva am Fluss Pirita. Mehrere an der Filmproduktion beteiligte Personen starben an Ursachen, die einige Equipen-Mitglieder der Drehzeit an giftigen Orten zuschrieben.
PIRITA:
Der Sounddesigner Vladimir Sharun erinnert sich: «Wir drehten in der Nähe von Tallinn an der Pirita, einem kleinen Fluss. Weiter stromaufwärts war eine Chemiefabrik, die giftige Flüssigkeiten in den Fluss abliess. Die Verschmutzung des Flusses war sichtbar. Da ist auch diese Einstellung im Film: Schnee fällt im Sommer und weisser Schaum treibt den Fluss hinunter. Tatsächlich war es irgendein furchtbares Gift. Viele Frauen in unserer Crew hatten allergische Reaktionen in den Gesichtern. Es gab eine Reihe von Krebserkrankungen unter den Beteiligten (auch der Darsteller Anatoli Solonizyn und Tarkowskijs Ehefrau). Solonizyn starb daran und auch Tarkowskij. Dass das alles mit dem Aussendreh für «Stalker» zusammenhing, wurde mir klar, als Larissa Tarkowskaja an der gleichen Krankheit starb.»
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