Neu im Kapitel «Über Film und die Welt»
Filmmontage – «leere Einstellung».
Alexander Kluge im Gespräch mit Gabriele Voss.
Ob etwas lang ausgehalten ist, hängt nicht von der Einstellung selbst oder meiner Vorliebe für sie ab, sondern von dem, was folgt, und dem, was voranging. Das, was wir Rhythmus nennen beim Film, das kann musikalisch sein. Meist ist es eine Beziehung der verschiedenen Einstellungen. Wenn Sie es auf einer Kugeloberfläche auftragen würden, dann würden Sie sehen, warum die Montage so ist. Warum das eine lang und das andere kurz ist.
Das führt auch dazu, dass man sehr oft sogenannte leere Einstellungen macht. Das heisst, ich habe ein wichtiges Bild, das einwirkt. Ich kann nicht sofort ein gleichstarkes Bild dahinter schneiden, dann lösche ich das erste. Dann nimmt man manchmal eine sogenannte leere Einstellung. Beate Mainka würde es typischerweise tun und darauf beharren. Sie stirbt lieber, als dass sie das nicht dahinschneidet – und das wäre ein Bild, das vielleicht unbeachtlich aussieht, bei dem aber der Kopf und das Gemüt wieder Zeit gewinnen, sich auf etwas Neues einzustellen und das andere zu verinnerlichen. Das kann man nicht mechanisch, das kann man wiederum nur empathisch, also mit Gefühl entwickeln. Dieses Gefühl ist aber nichts Subjektives. Es ist ein subjektiv/objektives Verhältnis.
Gabriele Voss «Schnitte in Raum und Zeit». Notizen und Gespräche zu Filmmontage und Dramaturgie. 2006, Vorwerk, Berlin.