Zur Filmcooperative (1992).

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Zur Filmcooperative (1992).

Der Verleih Filmcooperative Zürich wurde 1972 gegründet.

In seiner Broschüre zum 20-jährigen Bestehen sind Texte von Mitgliedern, Filmautoren, Verleihern, Kinobetreibern, Filmproduzenten versammelt.

Filmcooperative Zürich

Text von Urs Graf:

Liebe Leute der Filmcooperative,

vieles hat sich verändert seit der Gründung der Filmcooperative und es ist nicht Eure Schuld, wenn sie nicht mehr 'getragen' ist von den politisch motivierten Aktivitäten ihrer Genossenschafter. Also bleibt als Grundlage für Eure Arbeit nichts anderes, als Eure eigenen vagen, unausgesprochenen, unbewussten Interessen und Film-Träume. Ich wünsche mir nicht, dass Ihr Euch auf eine gemeinsame filmpolitische und filmästhetische Linie festlegen solltet; doch sollte intern ein kontinuierliches Gespräch über Film geführt werden, damit die Beurteilung von Filmen eine gemeinsame Grundlage hat, sonst werden die Entscheide entweder zufällig oder einfach marktorientiert.

Vielleicht tue ich Euch unrecht, doch hat sich mir ein Bild eingeprägt, von dem ich denke: «Typisch Filmcooperative». Ein Filmautor führt Euch einen Film vor und ist gespannt auf die Reaktion seiner ersten Zuschauer. Und was bekommt er zu hören? Keine persönlichen Eindrücke, Anerkennung oder Kritik, sondern nur Mutmassungen über mögliche Reaktionen von Kinobesitzern und Publikum, über Auswertungschancen. Eine wirklich gute Verleiharbeit scheint mir aber nur aus Eurem Engagement für einen Film möglich. Oft hatte ich den Eindruck, Eure Spekulationen über Kinobesitzer und Publikum liessen Eure eigenen Kriterien gar nicht mehr aufkommen, verdeckten Eure Gefühle, Euer Missfallen, Eure Begeisterung. Und ich stellte mir vor, wie Ihr im Dunkel des Vorführraumes auf die Leinwand schautet, Euch ständig fragend, ob diese Sequenz wohl This Brunner und David Streiff gefallen würde.

Als es zum ersten Mal darum ging, Filme in die Schweizer Kinos zu bringen, wurde ausführlich darüber diskutiert, ob die Filmcooperative zu einem Film eine ausserordentliche Begleitarbeit würde leisten können oder ob der Film einem andern Verleih überlassen werden könnte, der ihn gleich gut in die Kinos bringt, damit die eigene Zeit für Filme eingesetzt werden kann, die sonst nicht in die Schweizer Kinos gelangen, oder für Filme, für die die Filmcooperative eine bessere Arbeit leisten kann als ein anderer Verleih.

Ich glaube nicht, dass solche Gründe noch mitgedacht werden, wenn die Filmcooperative heute mit anderen Verleihern um die Schweizer Verleihrechte eines Films kämpft - ausser den Finanzen scheint es mir dabei eher um Prestige und Image zu gehen.

Ich habe den Eindruck, dass die Filmcooperative heute vor allem Filme herausbringt; doch nach der Lancierung wird keine Arbeit mehr für die Filme geleistet, z.B. durch Versand an Institutionen, die auf Filme zu bestimmten Themen aufmerksam gemacht werden könnten. Das geht so weit, dass neu hinzugekommene Leute wohl viele 16mm-Filme aus dem Verleih der Filmcooperative gar nicht kennen. Und alle dürften inzwischen vergessen haben, dass zu den Filmen umfangreiches Informationsmaterial geschaffen wurde, das vielleicht noch irgendwo herumliegt. Ich unterstelle Euch nicht, dass Ihr so seid, wie das neue Erscheinungsbild, das Ihr geschaffen habt - das heisst, ich unterstelle Euch nur, dass die Filmcooperative Vorstellungen von einem Publikum hat, bei dem sie sich anbiedern möchte - möglichst eingänglich - für ein Publikum, das in die Disco und an eine Demo geht - für das man ein Flugi macht - Filmcooperative light: Filmcoopi (wie es nun heisst).

Es ist sicher unbestritten, dass Eure Arbeit zu einer Bereicherung der Filmkultur in diesem Land beigetragen hat und beiträgt, doch ich wünsche mir, dass einiges besser wird, damit die Filmcooperative nicht einfach 'ein Verleih mehr auf dem Markt' ist, sondern ein Verleih, der mit guten Filmen auch eine gute Arbeit leistet. Das mag ein sehr hoher Anspruch sein, doch wenn man ihn nicht an ich stellt, kann man ja die andern die Arbeit machen lassen.

Noch hoffe ich, dass eines Tages alles ganz anders wird, dass in der Filmcooperative die Arbeit für Dokumentarfilme und die Arbeit im Parallelverleih wieder mehr Gewicht bekommen.

Nachtrag:

2017 hat die Filmcoopi den Parallelverleih aufgegeben und die 16mm-Filmkopien dem Archiv der Cinématheque in Lausanne übergeben.

 

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Urs Graf

Notizen zur Filmästhetik



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